Grangé betritt neues Terrain: Anstatt seinen weltberühmten Kommissar Niémans durch mysteriöse französische Mordserien zu jagen, wechselt er Land und Zeit und siedelt „Die Marmornen Träume“ in Berlin an, 1939 ein paar Tage vor dem Überfall Deutschlands auf Polen. In der von Nazis dominierten Stadt herrscht eine sonderbare Mischung aus Angst und Fatalismus, Juden und andere Gegner des Regimes sind bereits in tödlicher Bedrängnis, während die „Bessere“ Berliner Gesellschaft entweder fanatisch die Hacken zusammenschlägt oder ignorant so tut, als sei alles wie immer. Zu diesen Ignoranten gehört eine Gruppe von Damen, die sich täglich nachmittags im Adlon trifft und dort einen ausdrücklich nicht intellektuell geprägten Salon betreibt. Alle sind sehr reich, alle sind wunderschön, alle sind mit Nazi-Größen verheiratet. Und nun wurde eine von ihnen, Margarete Pohl, umgebracht, extrem brutal und hasserfüllt. Und wie sich herausstellt, war sie nicht die Erste aus dem Zirkel, die ermordet wurde.
Die Ermittlungen der Polizei bleiben ergebnislos, so dass die GESTAPO in Gestalt des Hauptsturmführers Franz Beewen eingeschaltet wird. Ein Koloss von Mann, Nazi der ersten Stunde, stets bereit für ein Gemetzel, nicht erfahren in Mordermittlungen, dafür aber ein exzellenter Kenner der Organisationsstrukturen in Berlin und mit sehr guten Instinkten ausgestattet.
Er untersucht erste Spuren und landet bei Simon Kraus, einem Psychiater, dessen Patientin Margarete gewesen war. Kraus ist ein Paradiesvogel, ein schöner und hochintelligenter Mann, aber sehr klein (was ihn wahnsinnig macht), ein Frauentyp, der sich in den besten Kreisen bewegt und sein Einkommen durch Erpressung seiner Patientinnen aufbessert. Kraus weiß zu berichten, dass Margarete und auch andere Mordopfer ihm von Alpträumen erzählt hatten, in denen ihnen ein „Marmormann“ erschienen ist, der sie geängstigt hat, ein Mann, der eine Gesichtsmaske aus grünem, geäderten Marmor trug. Ein wichtiger Hinweis zur Lösung der brutalen Mordserie! Oder doch nicht?
Der Thriller ist schnell, historisch genau, sogar mit einer Prise Humors durchsetzt, die sich sicher daraus ergibt, dass der Grangé als Franzose vielleicht etwas anders auf die Nazizeit blickt, als es ein deutscher Autor tut. Das Buch ist finster und extrem spannend, so wie wir es von Grangé kennen, es ist logisch aufgebaut, mit einem denkbaren aber fiktiven Nazi-Projekt zum Rassenwahn versetzt und bis zu den letzten Seiten ein Verwirrspiel, das uns in Atem hält. Viele Themen werden angeschnitten von der generellen Überorganisation in Nazideutschland über die systematische Vernichtung von unschuldigen Menschen und den Arier-Irrsinn bis hin zur Brutalität der eigentlichen Kriegsführung. Es umfasst 688 Seiten, und davon ist keine überflüssig!