Belletristik


Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-8227-4
Preis: 25,00 €
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Die Insel der Unschuldigen

Jess Kidd, Rezension von Kathrin Allkemper

1628. Die 9jährige Mayken geht mit ihrem Kindermädchen an Bord der Batavia, um zu ihrem wohlhabendenVater nach Java zu gelangen, bei dem sie nach dem Tod der Mutter leben soll. Das neugierige Mädchen treibt sich überall auf dem Schiff herum, auch auf den unteren Decks, wo vornehme kleine Damen eigentlich nichts zu suchen haben und wo es auch gefährlich werden kann. Auf der wochenlangen Reise lernt sie sowohl Feinde als auch neue Freunde kennen. Als die Batavia auf ein Riff aufläuft und sie vor der Westküste Australiens stranden, gibt es viele Tote. Die Überlebenden erreichen eine kleine Insel ohne Frischwasserquelle und ab da nimmt eine der bekanntesten und brutalsten Meutereien ihren Lauf.

1989 Der 9jährige Gil wird nach dem Tod seinder Mutter zu seinem Großvater gebracht, der als Fischer auf eine kleine Insel lebt. Außer ihm und ein paar Einheimischen gibt es dort eine Gruppe Wissenschaftler, die das Wrack der Batavia erforschen. Davon ist Gil ebenso fasziniert wie von der Geschichte über den Geist eines kleinen Mädchens, die auf der Batavia umgekommen ist und angeblich noch auf der Inselt weilt.

Zwei mutige Kinder kämpfen sich durch eine leider für sie sehr ungerechte und gefährliche Welt.


Verlag: Heyne
ISBN: 978-3-453-32145-8
Preis: 16,00 €
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Die unerhörte Reise der Familie Lawson

T.J.Klune, Rezension von Kathrin Allkemper

Giovanni Lawson sieht aus wie ein ganz normaler Mann, aber er ist ein Roboter. Er lebt seit vielen Jahren versteckt im Wald. Eines Tages drücken ihm verzweifelte Menschen auf der Flucht ein Baby in die Hand, welches er als seinen Sohn Victor großzieht. Victor hat dort im Wald keine Freunde, aber der Medizinroboter Schwester GROB und der kleine Staubsaugerroboter Rambo gehören von klein an zur Familie. Als die drei eines Tages einen völlig zerstörten, menschähnlichen Roboter namens TOM vom Schrottplatz mitbringen, um ihn zu reparieren, reagiert Vater Giovanni verstört, sogar verängstigt. Was weiß er über TOM, das neue Familienmitglied? Kurze Zeit später wird Giovanni entführt und die restliche, zusammengewürfelte Familie Lawson begib sich auf eine waghalsige Rettungsmission... Ganz viel Humor, Spannung und liebevoll gestaltete Figuren machen den neuen T.J.Klune wieder zu einem großen Lesevergnügen.


Verlag: btb
ISBN: 9783442773244
Preis: 12,00 €
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Inmitten der Nacht

Rumaan Alam, Rezension von Daniela Maifrini

 

Amanda und Clay sind zusammen mit ihren Kindern Archie (16) und Rose (13) im Auto unterwegs von ihrem Wohnort New York City nach Long Island. Eine Woche Urlaub wollen sie machen in einem abgelegenen Luxushaus, das viel Erholung verspricht, aber mit 340 $ pro Tag schon arg teuer ist – eigentlich zu teuer für die aufgestiegene Mittelklassefamilie. Aber man gönnt sich ja sonst nichts! Das Haus ist ein Traum, die Kinder planschen im Pool, Amanda macht sich zu einem völlig übertriebenen 200-$-Einkauf auf, alle sind zufrieden und freuen sich über ein verschwenderisches Abendessen und einen anschließenden Familienabend vor dem Fernseher.

Spät abends klopft es plötzlich an der Haustür. Amanda und Clay sind sehr ängstlich, öffnen jedoch trotzdem die Tür. Draußen steht ein älteres Ehepaar, das sich als George und Ruth Washington vorstellt und behauptet, das Haus gehöre ihnen. Die folgende Geschichte ist befremdlich: George und Ruth waren in einem Konzert in New York City, und als sie herauskamen, war in der Stadt der Strom ausgefallen und es herrschte Chaos. Da sie Angst hatten, haben sie sich überlegt, lieber raus aus der Stadt zu fahren. Und nun müssen sie ja irgendwo bleiben, daher möchten sie höflich um Erlaubnis bitten, im Gästezimmer ihres eigenen Hauses übernachten zu dürfen. Die Geschichte erscheint Clay und Amand zunächst hahnebüchen, doch da es sich um ältere Herrschaften mit offensichtlich guten Manieren handelt, willigen sie ein. Und kaum hat man sich ein wenig zusammengefunden passiert es: Im Haus gibt es zwar nach wie vor Strom, aber alle Fernseher und das Internet fallen aus – unmöglich Informationen darüber einzuholen, was im Rest der Welt, speziell in New York, vor sich geht. Allen steht eine Nacht bevor, die von tiefer Verunsicherung geprägt ist.

Am nächsten Morgen machen die Kinder sonderbare Beobachtungen in der Natur, die Erwachsenen versuchen, den Tag so gut wie möglich herumzubringen, immer schwankend zwischen der Hoffnung, dass das alles bald vorbei ist und der Notwendigkeit, vielleicht irgendwelche Vorkehrungen für was auch immer zu treffen. Clay macht sich auf den Weg in den Ort, um dort Informationen zu erlangen, doch so weit kommt er gar nicht, er verfährt sich und kehrt um. Noch bevor er wieder da ist, gibt es einen unglaublichen Knall, lauter als alles, was man jemals gehört hat. So laut, dass die Fenster am Haus bersten. Niemand weiß, was passiert ist, niemand weiß, was zu tun ist, niemand weiß, dass dies erst der Anfang ist...

 


Verlag: Eichborn Verlag
ISBN: 9783847901297
Preis: 25,00 €
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Morgen, Morgen und wieder Morgen

Gabrielle Zevin, Rezension von Daniela Maifrini

 

1987 in Los Angeles lernen sich in einem Krankenhaus Sadie (11 Jahre) und Sam (12 Jahre) kennen. Dreh- und Angelpunkt ist für die Freunde eine Spielekonsole, sie zocken beide für ihr Leben gern. Monatelang geht das so weiter – bis es zu einem Vertrauensbruch kommt, den Sam Sadie nicht verzeihen kann und will. Er bricht den Kontakt ab, wenngleich er Sadie vemisst.

Jahre vergehen, die beiden verlieren sich aus den Augen, obwohl sie sich zeitgleich in den benachbarten Universitäten MIT und Harvard im Umfeld von Boston einschreiben, da sie extrem talentierte Spieleentwickler sind. Dort treffen sie sich schließlich Mitte der 90er Jahre zufällig wieder, klären die Situation von damals und nähern sich wieder an. Nach wie vor teilen sie die Leidenschaft für Computerspiele. Langsam reift die Idee zu einem gemeinsamen Projekt und sie beginnen, zusammen ein Spiel zu programmieren. Dieses erste Game wird ein riesiger Idependent-Erfolg. Die Arbeit an diesem Spiel wird nur möglich, weil Sams Mitbewohner auf dem Campus, Marx, aus sehr vermögendem Haus stammt und der gute Geist bei der Arbeit wird. Irgendwann sind die drei Freunde richtig im Geschäft.

Natürlich ist das Geschäft nicht alles: Über mehrere Jahrzehnte verfolgen wir unsere Protagonisten durch ihr Leben. Naturgemäß kommt hier eine Vielzahl an Themen auf, die in die Handlung einfließen. Es geht um das, was chronische Schmerzen mit einem Menschen machen. Es geht um geographische Herkunft: Sadie ist jüdisch-amerikanisch, Sam jüdisch-koreanisch-amerikanisch und Marx japanisch-koreanisch-amerikanisch. Das bedeutet, dass die beiden Jungs von Anfang an mit Rassismus konfrontiert sind. Dann haben wir noch große Unterschiede in der sozialen Herkunft: während Sadie und Marx aus sehr begüterten Familien stammen, kommt Sam aus schlimmer Armut und wertet von daher auch Arbeit ganz anders als seine beiden Freunde.

Liebesbeziehungen, Schuld und Verzeihen in einer Freundschaft, traumatische Erlebnisse und nicht zuletzt: Computerspiele im Wandel der Zeiten! Hierzu möchte ich ergänzen, dass man mit der Thematik nicht tief befasst sein muss, die Spiele kommen zwar vor, doch es geht nicht wirklich technisch zu, sondern im Vordergrund stehen die jeweiligen Geschichten, die mit einem solchen Spiel erzählt werden sollen – und die sind richtig toll!

Ein absolut rundes Buch, vielschichtig gezeichnete Charaktere, die einem ans Herz wachsen, die Geschichte einer Freundschaft, ein Buch über Arbeit und übers Erwachsenwerden, ein Blick zurück in die 90er und 00er Jahre, ein nur wenig nerdiger Ausflug in die Gamer-Szene, eine Reise nach Boston und LA mit viel Lokalkolorit und Zeitgeist.

 


Verlag: Rowohlt Berlin
ISBN: 9783737101769
Preis: 20,00 €
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Mr. Chas und Lisa Sue treffen die Pandas

Fran Lebowitz, Rezension von Daniela Maifrini

(Vorweg: Wundern Sie sich nicht, denn dieses Buch wird auf unserer Website zweimal besprochen, einmal bei den Romanen und einmal bei den Kinderbüchern. Und das kam so...)

Fran Lebowitz ist Kolumnistin, Rednerin und Schriftstellerin aus New York City, die von Andy Warhol für sein Magazin „Interview“ rekrutiert wurde. Sie verkörpert das urbane Lebensgefühl der Millionenmetropole und legt mit diesem Buch zum ersten Mal ein Kinderbuch vor, das aber auch für Erwachsene ein Kleinod ist – allein durch die wirklich lustigen und passenden Illustrationen von Ralf König.

Charles, genannt Mr. Chas mit langem aaa, und Lisa Sue leben in einem New Yorker Apartmenthaus. Charles ist ein wissensdurstiger Junge, der gerne in Lexika schmökert und Bücher besser findet als die Wirklichkeit. Lisa Sue ist ein durchsetzungsstarkes Mädchen, das immer für alles eine Lösung hat. Eines Tages trauen sie ihren Augen nicht: zwei Pandas flitzen über den Flur! Sie stellen sich vor: „Pandämonium“ und „Panda, der nicht dem Massengeschmack huldigen will“ sind ihre merkwürdigen Namen. Die beiden Bären sind kreuzunglücklich, weil sie so gerne das Großstadtleben genießen möchten, aber das Haus nicht verlassen können, da sie sofort von Menschen belagert werden, die sie fangen und in den Zoo stecken wollen, damit sie sie immer ansehen können. Nur manchmal können sie als Hunde verkleidet rausgehen und ihr Lieblingsgroßstadtessen Pizza genießen. Pandämonium und der Panda, der nicht dem Massengeschmack huldigen will haben aber davon gehört, dass man in Paris ganz wunderbar als verkleideter Hund leben kann. Hier dürfen Hunde zum Beispiel alleine in ein Restaurant gehen oder in eine Konditorei, in der es Schokoladen-Éclairs gibt. Da wollen sie hin! Lisa Sue macht darauf aufmerksam, dass es viel Geld braucht, um nach Paris zu kommen – und Geld haben die Pandas nicht. Es muss also ein Plan her, der die Reise nach Europa möglich macht...

Eine lustige und warme Geschichte, die sprachlich zwischen „Snöfrid“ mit seinem sprachlichen Anspruch und „Der kleine Nick“ mit seinen kindlich aneinandergereihten, atemlosen Sätzen liegt und für Kinder eine schöne Herausforderung darstellt, um neue Wörter zu entdecken. Ein unterhaltsames Märchen mit einem Happy End für Kinder im Vorlesealter ab 5, zum Selber lesen ab 8 und für Erwachsene jeden Alters.

 


Verlag: Kein und Aber
ISBN: 978-3-0369-5003-7
Preis: 24,00 €
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Zierfische in den Händen von Idioten

Manuel Butt, Rezension von Kathrin Allkemper

Man merkt dem Roman an, dass der Autor schon Drehbücher für Pastewka geschrieben hat. Herrlich komisch und ein Fest für alle, die ihre Jugend in den 90er Jahren hatten. Vom VW Golf "Bon Jovi" über "Hey Macarena" ist alles dabei. Als Tobis Eltern zwei Wochen in den Urlaub fahren, wird ihm neben der Aufsicht über das Haus auch die Pflege von Vaters Zierfischen übertragen. Man ahnt schon zu Beginn, dass das nicht gutgehen wird. Aber erstmal hat Tobi in seiner neugewonnen Freiheit andere Pläne: das erste Mal mit Freundin Lisa schlafen, die Führerscheinprüfung machen und natürlich jede Menge Chillen. Aber nichts davon klappt und in kürzester Zeit hat Tobi mehr Stress als je zuvor. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, wird aus Freundin Lisa schon bald die Exfreundin. Und als wäre das nicht schon Kummer genug, sitzt er plötzlich mit seinem Kumpel, Ex-Freundin Lisa und ihrem besten Freund im geklauten Fahrschulwagen - inkklusive den Zierfischen im Kofferaum- und fährt Richtung London...

Ich habe lange nicht mehr so gelacht beim Lesen!

 


Verlag: Thiele
ISBN: 978-3-85179-526-4
Preis: 14,00 €
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Der Sommer aller Sommer

Thomas Montasser, Rezension von Kathrin Allkemper

Sommer in der Toskana. In dem kleinen Örtchen Anghiari taucht ein scheinbar seit Jahrhunderten unentdecktes Artefakt Leonardo da Vincis auf. Er soll sogar selbst einmal in Anghiari gewesen sein und dabei hat er seine Erfindung wohl dort verloren. Vielen Generationen unwissender Kinder diente der kleine Holzrhombus bislang einfach nur als Spielzeug, ohne weitere Gedanken daran zu verschwenden, wo er hergekommen ist. Die Aufregung ist nun groß, man hofft auf Touristen aus aller Welt und so wird aus dem Fundort, dem 600 Jahre alten Haus der alten Signora Tedeschi und ihrer geschiedenen Tochter Vittoria, ein kleines Museum mit einem hübschen Museums-Shop. Dort trifft der schüchterne Ingenieur Fabio auf die wunderschöne, aber sehr zurückhaltende Vittoria. Um ihr Herz zu gewinnen, muss er einen Weg finden, an den skurrilen Dorfbewohnern, einem möglichen Konkurrenten und auch an Signora Tedeschi vorbeizukommen.

Sehr humorvoll erzählte Liebesgeschichte, nicht kitschig!!

 


Verlag: Kampa
ISBN: 978-3-311-10046-1
Preis: 22,00 €
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Der Gärtner von Wimbledon

Jane Crilly, Rezension von Kathrin Allkemper

Henry Evans hat sich 50 Jahre um den Rasen im berühmten Wimbledon Stadion gekümmert. Anlässlich seines Ruhestandes wird er von einer jungen Journalistin interviewt und erzählt erstmals die Geschichte, warum er unbedingt der Gärtner von Wimbledon sein wollte. Es ist eine herzergreifende Liebesgeschichte, die im Sommer 1938 seinen Anfang nimmt, als er im Alter von 8 Jahren mit seinem Vater von London weg und auf das Anwesen Black Hall zieht, wo sein Vater eine Stelle als Gärtner bekommen hat. Dort lernt er die etwa gleichaltrige Rose kennen und die beiden werden erst Freunde und später ein heimliches Paar. Offiziell haben die Tochter des Hauses und der Sohn des Gärtners natürlich keine Chance. Rose möchte unbedingt eine berühmte Tennisspielerin werden und eines Tages in Wimbledon spielen. Doch dann kommt der Krieg, die Zeiten ändern sich und als Henry 18 wird, muss er ebenfalls an die Front...


Verlag: Woywod & Meurer
ISBN: 97830007837565
Preis: 26,00 €
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Leonard und Paul

Rónán Hession, Rezension von Daniela Maifrini

 

Verrückte Geschichte! Herr Woywod, der beim Dumont Verlag in der Werbung arbeitet, erhält eine englische Ausgabe dieses Buches und ist so begeistert, dass er damit direkt ins Lektorat rennt und den Kollegen ans Herz legt, die Rechte für den Titel zu kaufen. Das Buch zieht seine Kreise, der Verlag will es einkaufen, da sagt der Autor Rónán Hession: „Nö!“ Er will den Titel weltweit nur in Independent-Verlagen veröffentlichen. Also gründet Herr Woywod zusammen mit seiner Partnerin Frau Meurer kurzerhand einen Verlag – nur um dieses Buch in Deutschland herauszubringen! Maximal independent, sie bekommen die Rechte! Ist das nicht herrlich, wieviel Herzblut in unserer Buchbranche steckt?

Gesagt getan, hier sind jetzt unsere neuen Lieblinge: Leonard und Paul! Die beiden sind beste Freunde, um die dreißig Jahre alt und leben in Irland. Leonard wohnt mit seiner Mutter zusammen, die leider schon im ersten Kapitel stirbt. Die Beiden haben lebenslang eine liebevolle und bereichernde Gemeinschaft gebildet, und Leonard ist ganz traurig. Er geht seiner Arbeit nach, bei der er Texte für Kindersachbücher verfasst, selbst aber nie als Autor genannt wird – das macht ihm nichts aus, er mag es gar nicht gern, wenn Aufhebens um seine Person gemacht wird.

Gerne trifft er sich mit Paul, der mit seinen Eltern zusammenlebt und ein sehr stiller Vertreter ist, dem kaum etwas zuztrauen ist. Es gibt gemeinsame Spieleabende, an denen sich oft auch Pauls Eltern beteiligen, ansonsten erzählen die beiden „Jungs“ nicht viel, sie können auch gut miteinander schweigen und Monopoly spielen.

Alles ist unspektakulär, alles ist unaufgeregt. Leonard und Paul suchen nicht das Rampenlicht oder das Besondere, sie leben ihre kleinen Leben, sind freundlich und höflich zu jedermann und erleben Dinge, die viele von uns nicht als aufregend empfinden würden. Und sie wissen ziemlich genau, was sie von sich selbst erwarten dürfen. Dass sie an einigen Stellen durchaus mal über sich selbst hinauswachsen können, steht auf einem anderen Blatt...

Eine Ode an die unauffälligen, freundlichen und bescheidenen Menschen, ein Buch, das einfach nur gut tut in seiner Einfachheit, mit seiner schönen Sprache und seinem sanften Humor. Und man mag Leonard und Paul (und auch Helen, Peter, Grace, Andrew, Shelley und Patrick!) am Ende kaum gehen lassen, weil man ihre Gegenwart für die Dauer der Lektüre wirklich genossen hat!

 


Verlag: Rowohlt Verlag
ISBN: 9783498003456
Preis: 22,00 €
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Keine gute Geschichte

Lisa Roy, Rezension von Daniela Maifrini

 

Arielle Freytag ist Anfang dreißig und lebt in Düsseldorf. Sie muss zurück nach Essen-Katernberg, wo sie aufwuchs, da ihre Großmutter Hilfe braucht. Sie erfährt von einer schlimmen Geschichte: Die beiden neunjährigen Mädchen Lara und Ashanti sind seit einigen Tagen wie vom Erdboden verschluckt! So wie Arielles Mutter, die spurlos verschwand, als das Mädchen sechs Jahre alt war. Noch immer richtet sie ständig das Wort an die Verschwundene, bis heute ist Arielle von tiefer Verunsicherung geprägt, zumal sie auch nicht weiß, wer ihr Vater ist.

Arielle geht durch ein Brennpunkt-Viertel, in dem zig Nationalitäten am gleichen Ort leben und dennoch nur punktuell zusammenfinden. Alles ist verlottert und vermüllt, das Geld ist bei allen mehr als knapp - wenn sie es nicht so gut erinnern würde, wäre es für sie als Wahl-Düsseldorferin ein Kulturschock. Sie selbst wirkt wie ein Fremdkörper mit ihrem sehr gepflegten und teuren Äußeren, sie gehört nicht mehr richtig dazu. Auf dem Weg zurück in ihre Vergangenheit nähert sie sich der Geschichte ihrer Mutter mehr und mehr, während in Katernberg das Leben seinen Gang geht.

Dieses einzigartige Buch ist ein „Schlag ins Gesicht“ des Lesers, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Es ist eine Ist-Aufnahme der Subkultur, die am Rande der großen Stadt entstanden ist, keine Wertung, keine Verurteilung, sondern die Realität derer, die ihr nicht entrinnen können und für die Bredeney schon so unerreichbar ist wie ein beliebiger Exoplanet.

Ein Brennpunkt, von dem man nicht genug bekommt – auf diese Perspektive hat die deutsche Literatur viel zu lange gewartet.“ WDR 5

 


Verlag: Penguin
ISBN: 978-3-328-60291-0
Preis: 22,00 €
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Apfeltage

Melissa da Costa, Rezension von Kathrin Allkemper

Das Buchcover sieht nach Leichtigkeit aus, aber das täuscht. Die Geschichte beginnt unendlich traurig. Amande ist 29 Jahre alt, als sie ihren Mann Benjamin durch einen Motorradunfall verliert und ihr Baby als Totgeburt auf die Welt kommt. Beides entzieht ihr jegliche Energie und Lebensfreude. Mit einem Auto voller Konserven verlässt sie den Ort, der bisher ihr Zuhause war, weil sie es einfach nicht ertägt, ohne ihn und das Baby dort zu sein. Sie mietet ein altes Haus in der Auvergne an und igelt sich dort wochenlang ein. Nicht einmal die Fensterläden will sie öffnen, damit kein einziger Funken Sonnenlicht zu ihr durchdringen kann. Schließlich ist es völlig unverständlich, dass die Sonne nach diesen Schicksalsschlägen einfach wieder aufgeht. In der Zeit der Abgeschiedenheit entdeckt sie in dem Haus Notizbücher der alten Frau, der das Haus früher gehörte. Ihre Vorgängerin Madame Hugues hat sich stets sorgsam aufgeschrieben, wann in ihrem Garten welche Arbeiten anfallen und wie sie diese erledigt hat. Nach Monaten drinnen wagt sich Amande schließlich irgendwann wieder vor die Tür, lässt erst die Sonne ins Haus und nach und nach auch wieder das Leben als solches. Und parallel dazu erweckt sie den alten zugewucherten Garten vom Madame Hugues ebenfalls wieder zum Leben. Endlich besteht die Aussicht auf ein bisschen Glück und die Heilung ihrer Wunden...

Gerade der Beginn der Geschichte geht einem unter die Haut und berührt einen zutiefst, aber je weiter die Geschichte voran geht, desto mehr spürt man die Wende in Richtung Hoffnung. Und der Vergleicht vom verlassenen, verwahrlosten Garten, der sich erholt und wieder zum Leben erweckt wird, ist wunderbar gewählt.


Verlag: Thiele Verlag
ISBN: 9783851795233
Preis: 22,00 €
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Dinner mit den Schnabels

Toni Jordan, Rezension von Daniela Maifrini

 

Simon Larsen ist Architekt in Melbourne, bzw. er war es, bevor die ständigen Lockdowns in Australien zum Bankrott seines erfolgreichen Architekturbüros geführt haben. Das war vor achtzehn Monaten. Seither haben er und seine Frau Tansy mit den Kindern Mia und Lachie das Haus verloren, sind in eine unfassbar hässliche Etagenwohnung gezogen und Simon verbringt seine Tage damit, auf dem Sofa zu liegen, sich mehr schlecht als recht um Haushalt und Kinder zu kümmern und ansonsten nichts zu tun. Er liebt seine Frau, die Kinder sind sowieso ganz großartig, doch Simon kommt einfach nicht aus diesem furchtbaren Tief heraus, er hat Null Motivation zu gar nichts und ist mutlos.

Seine Frau Tansy stammt aus der illustren Familie Schnabel, die Simon mitgeheiratet hat. Die Zügel in der Familie werden zusammengehalten von der spitzzüngigen Gloria. Schon früh wurden die Schnabels von Glorias Mann David verlassen, der sich weit weg eine neue Familie aufgebaut hat. Seither musste Gloria mit den Kindern allein klar kommen und hat einen gehörigen Rochus auf Männer entwickelt. Doch nun ist David vor zwei Jahren, während der Corona-Pandemie – verstorben, und es hat keine Gelegenheit gegeben, sich von ihm zu verabschieden.

Daher ist Glorias Befehl: „Wir organisieren eine Gedenkfeier!“. Und weil sie sich vor den Gästen nicht blamieren will, soll diese Feier im Garten von Tansys altem Schulfreund Naveen stattfinden – nur ist dieser Garten in einem erbarmungswürdigen Zustand. Also bittet die Familie Simon darum, sich um die pünktliche Gestaltung und Instandsetzung des Grundstücks zu kümmern, dafür hat er eine Woche Zeit. „Kein Problem“ sagt Simon, doch da weiß er noch nicht, was in dieser Woche alles passieren und ihn komplett aus der Bahn werfen wird, und dabei ist das Auftauchen von Tansys Halbschwester Monica, die wesentlich jünger und völlig schrill ist, das kleinste Problem!

Ein sehr bewegender Roman mit vielen turbulenten und unterhaltsamen Momenten, eine wirklich herzerwärmende Geschichte mit einer bezaubernden Familie, die versucht, ein Mitglied, das aus der Spur geraten ist, zu retten.

 

 


Verlag: dtv
ISBN: 9783423263344
Preis: 15,95 €
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Jetzt ist Sense

Hans Rath, Rezension von Daniela Maifrini

 

Bei Olivia Bentele, Psychologin in Berlin, klingelt es und ein unglaublich attraktiver Mann in einem schwarzen Umhang und mit einer Sense steht vor der Tür. Leider hat er sich nur in der Tür geirrt – er möchte eigentlich zu ihrer Nachbarin, einer hochbetagten Dame. Diese Nachbarin stirbt kurz darauf, Liv hat den Verdacht, dass der Mann irgendetwas damit zu tun hat. Er kann ihren Verdacht jedoch charmant entkräften und stellt sich als Zino Angelopoulos vor. Seine Kostümierung kann er erklären, also glaubt sie ihm und er geht wieder. Vor dem Haus gegenüber sieht sie noch den fröhlich winkenden Zino hinter einem Leichenwagen stehen.

Kurz danach trifft Olivia, die natürlich noch weitere Baustellen in ihrem Leben zu bewältigen hat, Zino wieder (wobei erneut ein Mensch stirbt!) der um ihre psychologische Unterstützung bittet. Sie berichtet ihrer Freundin Conny, die auch gerade in chaotischen Lebensumständen steckt, von dem geheimnisvollen Fremden. Conny ist daraufhin völlig aufgeregt ist, weil sie ein amouröses Abenteuer für Olivia kommen sieht.

Bei dem Termin in Olivias Praxis gesteht Zino ihr, dass er tatsächlich der Tod selber ist, einer von vielen zwar, aber immerhin ein griechischer Gott: Thanatos. Er ist dafür zuständig, Menschen auf ihrer letzten Reise zu begleiten. Er ist der „sanfte“ Tod, schon seit Jahrtausenden in dieser Position tätig und hat mit seiner göttlichen Familie durchaus kein leichtes Los gezogen.

Fassungslos aber neugierig zieht Liv Conny ins Vertrauen, die kurz darauf den neuen „Klienten“ ihrer Freundin kennenlernt und von dem Adonis hingerissen ist – egal ob er jetzt der Tod ist oder nicht!

Doch dann stellt sich langsam heraus, dass Zino es mit der Wahrheit nicht ganz so genau nimmt und sich bei Liv leider doch nicht in der Tür geirrt hat...

Wirklich spaßig, skurill und niveauvoll! Wer eine kleine Einführung in die griechische Mythologie braucht, kann hier den Grundstein legen. Wer ein dynamisches Damen-Duo in Aktion erleben will, ist genau richtig. Und wer generell Spaß an verrückten Geschichten (Safier, „Mieses Karma“ oder „Jesus liebt mich“) hat, ist hier ebenfalls bestens versorgt. Eine tempo- und fantasiereiche, vergnügliche Komödie mit etwas Tiefgang.

 


Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-8204-5
Preis: 24,00 €
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Die Liebe an miesen Tagen

Ewald Arenz, Rezension von Kathrin Allkemper

Als Elias auf Clara trifft, fühlt er sich sofort zu ihr hingezogen und auch Clara verspürt erstmals seit dem Verlust ihres Mannes wieder Zuneigung für Jemanden. Aber Elias ist aktuell in einer Beziehung, wenn auch nicht besonders glücklich. Eigentlich hält er krampfhaft an der Idee von "wahrer Liebe" fest, verspürt sie aber nicht für seine Freundin. Clara hingegen hat Zweifel, ob sie sich mit einem jüngern Mann einlassen soll. Auch wenn er sie hier und jetzt attraktiv findet, wird er ihre Falten in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr so niedlich finden. Beide haben schon eine gewisse Lebenserfahrung, die zeigt, dass es im Leben nicht immer einfach ist. Trotzdem lassen sie sich auf diese Liebe ein und genießen zunächst eine sehr glückliche Zeit...

Eine wunderbar erzählte Liebesgeschichte mit allen Höhen und Tiefen.


Verlag: Hanser Verlag
ISBN: 9783446276178
Preis: 25,00 €
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Das glückliche Geheimnis

Arno Geiger, Rezension von Daniela Maifrini

 

Arno Geiger ist einer der erfolgreichsten und bedeutendsten deutschsprachigen zeigenössischen Autoren. Er bekam neben vielen anderen Auszeichnungen den Deutschen Buchpreis 2005 für „Es geht uns gut“ als dieser zum allerersten Mal verliehen wurde, viele Leser nahmen Anteil an der Geschichte „Der alte König in seinem Exil“, in dem er die Demenzerkrankung seines Vaters thematisiert und etliche Jahrgänge von Schülern konnten sich bisher glücklich schätzen, wenn als Schullektüre „Unter der Drachenwand“ ausgewählt wurde, ein Roman, der zeitlich im Zweiten Weltkrieg angesiedelt ist.

Nun also der neue Geiger. Im 'Glücklichen Geheimnis' schreibt er in einem autobiographischen Essay über sein Leben – vor allem sein Leben vor dem Erfolg. Geiger stammt aus der österreichischen Provinz und weiß schon immer, dass er Schriftsteller werden will. Also geht es zum Studium nach Wien, und wir begleiten ihn durch finanzielle Kalamitäten, bei seiner ersten große Liebe und den Frauen, die darauf folgten. Wir erleben seine viel zu kleine Wohnung, die die Kreativität bremst und die ersten Gehversuche im Kulturbetrieb, die mehr als holperig und von Selbstzweifeln durchsetzt sind. Noch bis kurz vor der Verleihung des Buchpreises muss er zusammen mit seinem Lektor dafür kämpfen, dass der Roman überhaupt gedruckt wird - und dann kommt der Erfolg. Und mit ihm diese neue, ganz andere Erfahrung, in der Öffentlichkeit zu stehen, nicht mehr allein am Schreibtisch zu sitzen. In dieser Zeit erkrankt sein Vater an Demenz und Geiger, der nach wie vor in Wien lebt, unterstützt ihn so weit er kann. Dieser Abschnitt gehört zu den liebevollsten und großartigsten Stellen im Buch, da er eine wunderbar gelassene und gleichzeitig respektvolle Art des Umgangs mit seinem Vater findet.

Warum heißt aber jetzt das Buch „Ein glückliches Geheimnis“ und warum ist ihm das Geheimnis ein wenig unangenehm? Das werde auch ich Ihnen nicht verraten, Sie können es selber lesen, es ist auf jeden Fall ein sehr interessantes Geheimnis, das das Leben Arno Geigers geprägt hat, bis heute prägt, und das uns vor allem den Deutschen Buchpreis 2005 „Es geht uns gut“ beschert hat.

Eine unglaublich kurzweilige Lektüre mit schönem sprachlichen Anspruch von einem Autoren, den man am Ende des Buches am liebsten mal dringend auf ein Glas Wein einladen möchte! Richtig fein!!!

 


Verlag: Dumont Verlag
ISBN: 9783832166519
Preis: 12,00 €
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Die letzte Bibliothek der Welt

Freya Sampson, Rezension von Daniela Maifrini

 

Im ländlichen Nordengland im kleinen Ort Chalcot gibt es eine alte Gemeindebibliothek. Die Leiterin Marjorie ist eine resolute Verwaltungsperson kurz vor dem Rentenalter, doch die junge June ist eine Bibliothekarin aus Leidenschaft, die für Bücher lebt.

Neben etlichen anderen Lesern gibt es eine Schar exzentrischer Menschen, die sich so gut wie täglich in der Bücherei einfinden, allen voran der alte Gentleman Stanley Phelps, der fast den ganzen Tag dort verbringt, der Junge Jackson, der zuhause unterrichtet wird und sich viel Wissen in der Bücherei abholt, die Geflüchtete Leila, die in ihrer Heimat so gerne Kuchen gebacken hat und sich nun englische Backrezepte erschließen will, die ihr Sohn ihr ins Arabische übersetzt, die bärbeißige und stets schlecht gelaunte Mrs. Bransworth, die viel liest und im Anschluss alle Bücher verreißt oder auch Chantal, ein junges Mädchen, das in beengten Verhältnissen mit vielen Geschwistern lebt und dort die Ruhe zum Lernen nicht findet.

Eines Tages erreicht eine Hiobsbotschaft die Gruppe von Büchernarren: die Bezirksverwaltung macht eine Erhebung in allen Gemeindebibliotheken, um deren Frequenz zu analysieren und einige davon zu schließen und gegen einen Bücherbus zu ersetzen. Die Leser sind entsetzt, sie gründen sofort eine Widerstandsgruppe, den Angestellten wird jeder Protest unter Androhung sofortiger Kündigung verboten.

Marjorie hält sich da komplett raus, doch June, die sehr schüchtern ist und eigentlich nichts mehr auf der Welt hat außer dieser Bücherei, fängt an, sich hinter den Kulissen und heimlich den verrückten Protestaktionen anzuschließen. Für sie, die nach acht Jahren noch immer nicht über den Tod ihrer Mutter hinweg gekommen ist, ändert sich plötzlich alles. June hatte bisher ein einförmiges und auch einsames Leben nur mit ihren Büchern. Doch nun sind Mut und Durchsetzungsstärke gefragt – kann sie sich ändern?

Immer enger wächst die Gruppe der Protestler zusammen, jeder erfährt nach und nach viel über das Leben der Mitstreiter, es entstehen Freundschaften. Besonders June sieht sich vor großen Umwälzungen, denn was soll aus ihr werden ohne ihre Bücherei? Und dann ist da auch noch der sympathische Alex Chen, der Sohn des Besitzers eines chinesischen Schnellrestaurants, der plötzlich wieder in Chalcot auftaucht, obwohl er eigentlich in London lebt... und dort offenbar auch eine Freundin hat.

Bis zum Ende des Buches geschehen viele überraschende Wendungen, die die durch die Bank gut gezeichneten Charaktere erleben, besonders June macht eine bemerkenswerte Entwicklung durch, und ob es die Bibliothek am Ende noch gibt? Lesen Sie selber!

 


Verlag: Suhrkamp Verlag
ISBN: 9783518431108
Preis: 15,00 €
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Der junge Mann

Annie Ernaux, Rezension von Daniela Maifrini

 

Den neuen Titel der Literaturnobelpreisträgerin 2022 möchte ich nutzen, um an dieser Stelle noch einmal auf ihr hochinteressantes Werk hinzuweisen.

Annie Ernaux wird 1940 in einer bildungsfernen Familie in einfachen Verhältnissen in der Normandie geboren, macht dann ihren Weg, der sie über die Arbeit als Gymnasiallehrerin bis hin zur Tätigkeit an einer Fernuniversität führt. Ihr Leben ist alles andere als einfach, es gibt viele Ereignisse und einige Traumata, die Ernaux mit sich trägt - und dann fängt sie spät im Leben an zu schreiben. In einer einfachen, schnörkellosen und teilweise schmerzhaft direkten Sprache nimmt sie sich mutig jede einzelne ihrer Verletzungen literarisch vor und seziert diese so, dass sie sicher nach dieser Form der Verarbeitung weniger schmerzhaft sind. Dabei sticht trotz aller Einfachheit eine gewisse sprachliche Komplexität ins Auge, die sich zum Beispiel auch darin manifestiert, dass der Suhrkamp Verlag eine komplett neue Übersetzung beauftragt hat und dass erst in dieser zweiten Übersetzung der große Erfolg beim deutschen Publikum eintrat. 

Die Titel sind:

1983 Der Platz (Die Geschichte des Vaters)

1987 Eine Frau (Die Geschichte der Mutter)

1997 Die Scham (Die 12jährige Annie erlebt einen Streit ihrer Eltern mit, bei dem der Vater versucht, die Mutter umzubringen. Dieses Ereignis wird totgeschwiegen.)

2000 Das Ereignis (Illegaler Schwangerschaftsabbruch im Alter von 23 Jahren.)

2008 Die Jahre (Kindheit in der Nachkriegszeit, Algerienkrise, Karriere an der Uni, Schreiben, prekäre Ehe, Mutterschaft, de Gaulle, Frankreich unter Mitterand, Folgen der Globalisierung, uneingelöste Verheißungen der Nullerjahre, das eigene Altern)

2016 Erinnerungen eines Mädchens (Traumatische sexuelle Erfahrung und jahrelange Schwierigkeiten, sich selbst und den eigenen Körper wieder wertzuschätzen.)

2022 Der junge Mann (Mit über 50 Jahren lässt sie sich auf eine Liaison mit einem dreißig Jahre jüngeren Mann ein.)

 

Eine verdiente Preisträgerin mit ungewöhnlichen und lesenswerten Titeln!

 


Verlag: Dumont Verlag
ISBN: 9783832166267
Preis: 12,00 €
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Vom Ende eines Sommers

Melissa Harrison, Rezension von Daniela Maifrini

 

Die dreizehnjährige Edith June Mather lebt 1933 mit ihren Eltern, ihrem älteren Bruder Frank, ihrem Großvater, dem Großknecht John und dem älteren Gehilfen Doble auf der Farm der Familie in England. Eine katastrophale Dürre macht den Farmern zu schaffen, doch Edis Vater ist entschlossen, die Krise zu überwinden. Die ganze Familie packt mit an, die Arbeit ist hart, Edi allerdings ist ein verträumtes, phantasievolles Mädchen, das oft wenig arbeitet, dafür aber viel liest. Und es gibt noch mehr Ablenkung: Eines Tages taucht Constance FitzAllen im Dorf auf und beginnt, auf allen Höfen mit den Farmern zu sprechen, um ihnen alte Rezepte, alte Anbautechniken oder auch traditionelle Lieder und Gebräuche zu entlocken, sie ist vernarrt in alles, was vergangen ist. Sie ist beliebt, bekommt viele der gewünschten Informationen, und eine ihrer häufigsten Begleiterinnen ist Edi, die so langsam erwachsen wird. So hat sie zum Beispiel einen „Liebsten“, den Nachbarsohn Alf, doch alles an dieser „Liebe“ verunsichert sie – und sie kann mit niemandem darüber reden. Und auch ihre Wahrnehmung für ihre Familie ändert sich. Irgendwas scheint zwischen Mutter und Vater nicht zu stimmen, doch sie kann das nicht richtig einordnen. Alles in allem fühlt Edi sich ängstlich, irritiert und entwurzelt. Schön findet sie ihre Zeit mit Constance, die nach kurzer Zeit damit beginnt, wöchentliche Artikel über das „Leben auf dem Land“ zu veröffentlichen, die alles verklären und ein Loblied auf die „Wurzeln aller Engländer“ sind, kurz gesagt: reaktionär. Doch dann läuft plötzlich alles aus dem Ruder...

Der Roman zeichnet sich aus durch eine liebevolle und ausschweifende Beschreibung der englischen Landschaften, was eine wunderbare Atmosphäre schafft. Ganz langsam zeigen sich die Brüche in der Idylle, Edi trifft alles mit voller Wucht, und wir erleiden das zusammen mit ihr.

 


Verlag: Insel Verlag
ISBN: 9783458682332
Preis: 16,00 €
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Die Buchhändlerin von Paris

Kerri Maher, Rezension von Daniela Maifrini

 

Nachdem sie mit ihren Eltern zuvor schon fünfzehn Jahre in Paris gelebt hatte, kehrt die junge Amerikanerin Sylvia Beach am Ende des Ersten Weltkriegs in die Seine-Metropole zurück und entdeckt im Quartier Latin die Buchhandlung von Adrienne Monnier und Suzanne Bonniere, in der sich die jungen Pariser Literaten treffen und ganz allgemein ein reger kultureller Austausch herrscht. Sylvia verliebt sich in den Laden (und in Adrienne) und nach einiger Zeit und einem Sanitäts-Einsatz im Krieg verstärkt sich in ihr der Traum von einer eigenen Buchhandlung. Bei ihrer Rückkehr werden sie und Adrienne ein Paar, und die etablierte Buchhändlerin hilft ihr, bei der Realisierung ihres Traumes. So eröffnet Sylvie 1919 den ersten Standort von „Shakespeare and Company“, wo sie mit englischen Büchern handelt und so zum Anlaufpunkt für die in Paris lebenden englischsprachigen Künstler aus aller Welt wird.

In ihrer Kundschaft und bald auch in ihrem Freundeskreis findet sich der irische Schriftsteller James Joyce, der unter wirtschafltich schlechten Bedingungen mit seiner Frau und den beiden Kindern in Paris ein karges Leben führen muss. Er ist mit seinem Werk „Ulysses“ befasst, welches ihm alle Kraft und ein hohes Maß an Besessenheit abverlangt. Der Roman wird zunächst in Literaturzeitschriften häppchenweise veröffentlicht, so dass das geneigte Publikum sich schon einen Eindruck verschaffen kann. In Europa wird der Roman zwar auch zwiespältig aufgenommen und findet keinen Verlag, der sich an das Skandalbuch herantraut, doch in den prüden USA wird er sogar verboten! Das ruft Sylvia auf den Plan, die diese Missachtung des aus ihrer Sicht meisterhaften Romans nicht ertragen kann. Sie riskiert all ihre finanziellen Mittel, um „Ulysses“ im Eigenverlag herauszubringen. Und als es gilt, den erschienen Roman auch den Lesern in den USA zugänglich zu machen, begibt sie sich sogar in die Illegalität...

Die Geschichte, die hinter der Veröffentlichung des Welterfolges steckt, ist gut eingebettet in ein illustres Paris der Zwanzigerjahre und zeigt einmal mehr, wieviel Hingabe Literatur oft braucht, bis sie beim Leser ankommt.

 


Verlag: Penguin Verlag
ISBN: 9783328602224
Preis: 24,00 €
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Zur See

Dörte Hansen, Rezension von Daniela Maifrini

 

Dörte Hansen stellt uns in ihrem Roman einige Menschen vor, die auf einer nordfriesischen Insel leben, die (ebenso wie das Dorf Brinkebüll in der „Mittagsstunde“) großen Veränderungen unterworfen ist. Allen voran ist da die Familie Sander. Hanne Sander ist Kapitänsfrau, eine Macherin, eine wortkarge und starke Frau, die schon seit zwanzig Jahren ohne ihren Mann Jens lebt, der zwar auf der Insel, aber nicht bei ihr sondern in einem alten Schöpfwerk wohnt und sich komplett der Vogelbeobachtung und -präparation verschrieben hat. Jens lebt unter einfachsten Bedingungen und hat kaum Kontakt zu anderen Menschen. Hin und wieder besucht ihn seine Tochter Eske, die mit viel Herzblut im örtlichen Seniorenheim als Altenpflegerin arbeitet. Ihr älterer Bruder ist Ryckmer, ein zu Beginn gebrochen wirkender Mann im besten Alter mit einem ganz eigenen Päckchen. Der jüngste Sohn der Sanders ist Henrik, ein Künstler, der das selber gar nicht weiß und der mit sich und seinem Leben im Reinen zu sein scheint. 

Die Figuren dieses Buches müssen alle irgendwie mit dem Zwiespalt klarkommen, dass sich das Leben auf ihrer Insel dramatisch verändert hat. Die ältesten Familien können auf jahrhundertelange Walfangtradition zurückblicken, viele waren seit Generationen Fischer. Alle sind sich einig, dass das kein Zuckerschlecken war, harte und gefährliche Arbeit, die nur die Wenigsten zu Wohlstand gebracht hat. Da war der Besuch von Sommergästen schon eine angenehmere Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, man hatte die Saison über eben die Rolle des Gastgebers zu spielen und dann war wieder Ruhe und Privatsphäre auf der Insel. Der Andrang wurde aber immer stärker, gleichzeitig die Fischerei immer schwieriger und Walfang ja sowieso unmöglich, so dass die Insulaner sich fast ohne Ausnahme dem Tourismus verschrieben haben. Und inzwischen sind sie halt leider nicht mehr die Herren im eigenen Haus, die Insel wird überrannt, ein Leben in der Gemeinschaft - so wie früher - ist kaum noch möglich, Traditionen verkommen zu Folklore, ihre Heimat zur Kulisse...

Ab Seite eins fiebert man wieder mit den Figuren mit, weil Dörte Hansen sie so beschreibt, dass man in ihnen alte Bekannte zu erkennen glaubt, zutiefst menschlich und komplex. Auch die Atmosphäre auf der Insel ist richtig eingefangen. Und all das in ihrer wunderbaren Sprache, die immer wieder Sätze hervorbringt, die man mehrfach lesen muss, weil sie so schön und klar und wahr sind.

 

 


Verlag: Limes
ISBN: 978-3-8090-2741-6
Preis: 22,00 €
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Acht Särge und ein Todesfall

Morgan Larsson, Rezension von Kathrin Allkemper

Samuel Miller ist mit seinen 72 noch sehr rüstig. Finanziell mehr als nur gut betucht, gehört ihm außerdem eine kleine schwedische Insel. Darauf steht ein großes altes Haus mit vielen leeren Zimmern, die er durch ein ganz besonderes Projekt füllen will. Einfach, weil er neugierig ist, wer sich darauf melden wird und weil er gerne neue Leute kennenlernen will, schaltet er eine Anzeige für ein ungewöhnliches Kursangebot: " Schreinern Sie ihren eigenen Sarg" . Am Ende wählt er aus den erstaunlich vielen Zuschriften acht unterschiedliche Personen aus, sowohl Paar als auch Einzelpersonen. Ein Student, ein Vertreter, ein Finanzberater, ein altes Paar, ein Paar Ende dreißig, dass seit der Schulzeit zusammen ist und ein etwas verkorkster Besitzer einer chemischen Reinigung, der sich für einen begabten Autoren hält, treffen hier zum ersten Mal aufeinander.

Im Laufe der zwei Wochen auf dieser komplett abgeschiedenen Insel, lernen sich nicht nur diese Menschen untereinander kennen, sondern jeder sich selbst noch einmal auf eine ganz besondere Art. Und unbemerkt von allen anderen kommt noch eine weitere Person auf der Insel an, die vor ihrem alten Leben geflohen ist. Scheinbar hat jeder das ein oder andere Geheimnis, das er mit sich herumträgt. Und so wird auf dieser Insel gelacht, geliebt, gestorben...


Verlag: Hanser
ISBN: 978-3-446-27231-6
Preis: 22,00 €
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Ein simpler Eingriff

Yael Inokai, Rezension von Kathrin Allkemper

Meret ist Krankenschwester mit Leib und Seele. Jeden Morgen schlüpft sie in ihre Schwesterntracht wie in eine Uniform und verlässt das Schwesternwohnheim, um wie jeden Tag im Krankenhaus zu arbeiten. Sie glaubt an die Medizin und vor allem an ihren Professor. Dieser Arzt hat ein Verfahren entwickelt, bei dem er Frauen mit psychischen Problemen einfach den Teil im Gehirn nimmt, der für ihre Probleme wie zum Beispiel Wutanfälle oder andere, unkontrollierte Gefühlsausbrüche verantwortlich ist. Beim Eingriff selbst verspüren die Patientinnen keinen Schmerz, sie sind sogar bei vollem Bewusstsein.  Meret hat die besondere Rolle von ihrem Doktor übertragen bekommen, die Frauen während der OP durch Rätsel, Spiele oder Geschichten vom Geschehen abzulenken. Doch es gibt auch Frauen, bei denen der Eingriff schief läuft. Besonders die Behandlung der wohlhabenden Marianne, die von ihrem Vater sozusagen abgeliefert und nach dem Eingriff zur völlig ausdruckslosen Hülle wird, setzt ihr zu. Nach und nach gibt es immer mehr Gründe für Meret, an der gesamten Methode zu zweifeln. Will man den Frauen wirklich helfen oder sie einfach nur gefügig machen und sich unbequeme Damen vom Hals schaffen? Als Meret sich in ihre Zimmernachbarin im Schwesternheim verliebt, verspürt sie zum ersten Mal eine gewisse Angst, selbst zu diesen Frauen zu gehören, die nicht in die Gesellschaft passen.

Von der Erzählweise und der Lebensart her könnte man denken, der Roman spielt weit in der Vergangenheit, die medizinischen Aspekte dagegen wirken dafür allerdings zu fortschrittlich. Aber die zeitliche Einordnung ist für diese wirklich außergewöhnlich stimmungsvoll erzählte Geschichte unerheblich. Es ist einfach interessant zu verfolgen, wie Meret ihre Empathie für die Patientinnen und ihren bisherigen Glauben an die Medizin unter einen Hut bringen möchte und sich letzten Endes für eine Seite entscheiden muss.


Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-06227-5
Preis: 15,00 €
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Lieber mit dem Kopf durch die Wand als gar keinen Durchblick

Alexandra Potter, Rezension von Kathrin Allkemper

Olivia, gerade frisch von ihrem untreuen Ehemann geschieden, entschließt sich zu einem kompletten Neuanfang. Sie kehrt London den Rücken und zieht in das kleine Dörfchen Yorkshire, wo sie als junges Mädchen viel Zeit bei ihren Großeltern verbracht hat. Sie kauft ein altes baufälliges Cottage, das ihr genauso zurückgelassen und ungeliebt vorkommt wie sie selbst. Da sie sich fernab der Großstadt zunächst doch sehr einsam fühlt, überlegt sie sich, dass ein niedlicher kleiner Hundewelpe sie bestimmt glücklicher machen würde. Doch im Tierheim entscheidet sie sich spontan um, als ihr dort ein struppiges Wesen mit angegrauter Schnauze begegnet. Der alte "Harry" wurde auch zurückgelassen, das schweißt die beiden sofort zusammen. Aber so ein Leben mit Vierbeiner ist für die hundeunerfahrene Olivia gar nicht so einfach. Als dann auch noch die Handwerker bei ihr einfallen, um das Cottage zu renovieren, bricht ein ganz schönes Chaos aus. Aber nach und nach gewöhnt sich Olivia sowohl an das Leben auf einer Baustelle als auch an ein Leben mit Hund. Bei den Spaziergängen durch das Dorf ist es schließlich Harry, der bei den Begegnungen mit den Dorfbewohnern schnell das Eis bricht. Und so hat Olivia bald eine handvoll äußerst liebenswerte Menschen um sich herum und dazu noch einen sehr netten Handwerker in ihrem Cottage.

Schöner romantischer Schmöker mit liebenswerten Charakteren und einem heldenhaften Vierbeiner!


Verlag: Kein und Aber
ISBN: 978-3-0369-5868-2
Preis: 25,00 €
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Bekenntnisse eines Betrügers

Rahul Raina, Rezension von Kathrin Allkemper

Der junge Inder Ramseh hatte eine schreckliche Kindheit. Aufgewachsen in völliger Armut, musste er nach dem Tod der Mutter alleine mit seinem Vater fertig werden und der war weiß Gott nicht gut zu ihm. Mit einem kleinen Karren im Dreck auf den Straßen von Dehli, musste Ramseh täglich mitarbeiten statt in die Schule zu gehen und von früh bis spät die Teeblätter klein mörsern, die sein Vater dann an Touristen verkauft. Durch einen mehr als glücklichen Umstand erlangt der Junge aus der untersten Kaste dann doch noch eine Chance auf Bildung und nutzt diese, um seinem Elend zu entkommen. Was aus einer Notlage geboren wurde, entwickelt sich zum Geschäftsmodell. Basierend auf Lug und Betrug macht Ramseh seinen Weg. Da er wirklich ein intelligentes Kerlchen ist, schreibt er für die zwar reichen, aber einfältigen Kinder indischer Eltern deren Examensprüfungen. Im Falles des 18jährigen Rudraksch, genannt Rudi, gelingt ihm sein Meisterstück und er schreibt das beste Examen von ganz Indien. Rudi wird zum Star und Ramseh zu seinem Manager. Leider übertreiben die beiden ihren oppulenten Lebensstil schnell und treten den falschen Leuten auf die Füße. Das endet in Kidnapping, fehlenden Extremitäten und Erpressung.

Sehr abgefahrene Geschichte, zunächst eher ernst und später rasant und skurril, aber auf jeden Fall unterhaltsam und vor allem mal etwas ganz anderes. Man lernt etwas über das Leben in Indien und die Verhältnisse dort, man liest über den Blick auf die Welt aus der Sicht der Inder und wird trotz der Gesellschaftskritik und den Seitenhieben auf die westliche Welt sehr lustig unterhalten. Für Freunde der etwas schrägen Literatur.

 


Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-6592-5
Preis: 22,00 €
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In den Wäldern der Biber

Franziska Fischer, Rezension von Kathrin Allkemper

Nach einem heftigen Streit mit ihrem Freund, verlässt Alina ihr gemeinsames Zuhause in Frankfurt und reist etwas kopflos in das kleine Dorf Eberswalde, wo ihr Großvater lebt. Als Kind hat sie hier viele Sommer verbracht, aber nach dem Tod ihres Vaters und dem Beginn einer neuen Beziehung ihrer Mutter mit einem anderen Mann, kam es zu einem Bruch mit den Großeltern. Nun, 19 Jahre ohne jeglichen Kontakt später, steht Alina vor der Tür ihres Großvaters und ist noch nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt aufnimmt. Sie weiß nur, sie muss es versuchen. Zu ihrer Mutter möchte sie nicht und es ist klar, dass sie auch nie wieder zurück zu ihrem alten Leben in Frankfurt gehen kann.

Der Großvater nimmt sie ohne Fragen auf, sie darf bleiben, so lange sie will. Und schnell baut sich eine wunderbare Beziehung zwischen ihnen auf und die alte Vertrautheit kehrt zurück. Gemeinsam arbeiten sie die Vergangenheit auf, sprechen über den Tod des Vaters und der Großmutter und stellen gleichzeitig die Weichen für die Zukunft. Dort bei ihrem Großvater, in den Wäldern, in denen er sich um den Bestand der Biber kümmert und ein Auge auf deren Schutz hat, entstehen für Alina völlig neue Lebenssperspektiven, neue Freundschaften und auch eine neue Liebe...

Ein wunderbar geschriebener Roman, der einen in dieser oft so stressigen und schnelllebigen Zeit abholt und entschleunigt, dabei zwar unaufgeregt, aber nie langweilig, rührend, aber nicht kitschig ist. Mein Wohlfühlbuch in diesem Sommer!


Verlag: Ullstein
ISBN: 978-3-550-20137-0
Preis: 23,99 €
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Der Papierpalast

Miranda Cowley Heller, Rezension von Annette Kubiak

Elle verbringt den Sommer, wie auch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, im "Papierpalast", dem in die Jahre gekommenen Feriendomizil ihrer Familie. Er liegt idyllisch an einem See und ist für sie ein besonderer Ort: hier verliebte sie sich zum ersten Mal, knüpfte Freundschaften und erlebte Verletzung und Schmerz.

Mittlerweile ist Elle über fünfzig Jahre alt, mit dem liebevollen Peter verheiratet und hat drei wohlgeratene Kinder. Alles scheint perfekt! Oder?

Eines Abends, während der Rest der Gesellschaft weiterfeiert, lässt sie sich auf ihren Jugendfreund Jonas ein. Keiner hat etwas mitbekommen und als Jonas ihr am nächsten Tag seine Liebe gesteht, weiß sie, dass sie eine Entscheidung treffen muss, die nicht nur ihr Leben weitreichend verändern wird...

In Rückblicken wird die Familiengeschichte und auch Elles Lebensgeschichte erzählt - spannend, sehr emotional und richtig toll erzählt! Unbedingte Leseempfehlung!

 

 


Verlag: Arche
ISBN: 9783716028032
Preis: 22,00 €
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Die Wahrheit und andere Erinnerungen

Imbi Neeme, Rezension von Kathrin Allkemper

Sommer 1982: Als Tina nur kurz die Kontrolle über ihren Wagen verliert, ist es schon zu spät. Das Auto überschlägt sich, aber ihr und ihren Kindern passiert zum Glück nichts Schlimmes. Trotzdem ist dieser Tag irgendwie der Anfang vom Ende, zunächst vom Ende der Ehe zwischen Tina und Craig. Dieser wirft ihr vor, sie wäre alkoholisiert gefahren, da sie in letzter Zeit nur selten nüchtern war und generell einen Hang zum Alkohol hat. Nicole, die ältere Tochter bleibt dennoch bei ihrer Mutter, Samantha geht zum Vater. Von da an entzweien sich die Mädchen immer mehr und ihr Verhältnis wird über viele Jahre schwierig bleiben. Während Nicole jahrelang ohne jeglichen Ehrgeiz ihr Leben laufen lässt, an den falschen Mann gerät und lange braucht, um zu sich und ihr Glück zu finden, gründet Samantha schon recht früh eine Familie. Allerdings geht es ihr damit nur nach außen hin besser als ihrer Schwester. Durch den Tod der Mutter müssen sich die beiden nun wieder mehr mit sich auseinandersetzen und auch die gemeinsame Vergangenheit aufarbeiten. Rückblickend werden sie erkennen, dass sie sich an die selben Situationen komplett unterschiedlich erinnern und dadurch viele Missverständnisse, Wut und Enttäuschung in ihrer beider Leben gebracht haben.

Dieser Debütroman erzählt von der Beziehung zwischen zwei Schwestern, die sich unter dem Einfluss einer alkoholsüchtigen Mutter jahrelang das Leben schwer gemacht und entzweit haben. Aber schließlich stellen sie sich ihren Dämonen. Fesselnd aus wechselnden Perspektiven erzählt, so dass man als Leser schon früh erkennt, dass die beiden Schwestern sich eigentlich sehr lieben, sich aber selbst oft im Weg stehen.

 



ISBN: 978-3-498-00296-1

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Die Wut, die bleibt

Mareike Fallwickl, Rezension von Dagmar Hallay

Dieser Roman steigt brutal in seine Geschichte ein. Die dreifache Mutter Helene steht vom Abendbrottisch auf, öffnet die Balkontür … und springt in ihre Erlösung – den Tod!

Was bleibt, ist eine große Lücke für die, die zurück gelassen wurden. Als Leser ist man hautnah dran – an denen, die zurückgeblieben sind und wie der Verlust verarbeitet wird. Da wären die 15jährige Lola, ihre zwei jüngeren Brüder Maxi und Lucius, der Vater und Helenes beste Freundin Sarah. Im ersten Schock ist es für Sarah selbstverständlich zu helfen. Doch plötzlich findet sie sich in der Rolle von Helene wieder und schlüpft ohne es zu wollen in deren Leben. Denn sie hat ein eigenes Leben, ein Leben das so anders ist, ohne Kinder und mit einem 10 Jahre jüngeren Mann mit dem sie in ihrem Eigenheim, als freischaffende Autorin, lebt. Und ist sie den Anforderungen überhaupt gewachsen. Die kleinen Jungs, von denen einer nicht mehr spricht und dann Lola, die sich immer mehr entzieht und ihren ganz eigenen Weg geht, um mit dem Verlust der Mutter klarzukommen. Der Vater, der sich nur in Arbeit flüchtet und so gut wie gar nicht mehr anwesend ist.
Frau Fallwickl bringt es mit Präzision auf den Punkt, sowohl sprachlich als auch inhaltlich.

Selten habe ich ein so aufwühlendes Buch gelesen, das die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft widerspiegelt - nicht aller Frauen, aber schon für sehr viele - leider immer noch.

 

 


Verlag: Dumont Verlag
ISBN: 978-3-8321-6618-2
Preis: 22,00 €
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Zwei am Meer

Fanny André, Rezension von Kathrin Allkemper

Die alleinstehende Camille ist mit ihren über achtzig Jahren noch recht rüstig. Da sie sich eigentlich ihr ganzes Leben um die Belange anderer gekümmert hat, möchte sie nun endlich mehr für sich tun und vor allem noch etwas erleben. Ein Schicksalsschlag führt sie nach zehn Jahren mit Isabelle, der Exfrau ihres verstorbenen Sohnes, zusammen. Isabelle hat gerade einen Burn-out hinter sich und schlingert gerade so durch ihr Leben. Da beschließen die beiden vollkommen unterschiedlichen Frauen, endlich das Abenteuer zu wagen, von dem sie damals bereits geträumt haben. Beide wollten sich schon immer gegenseitig ihre Heimat zeigen, die eine die Bretagne, die andere die Normandie. Und so machen sie sich auf den Weg und finden am Ende mehr Veränderung, als sie je gehofft hatten.

 


Verlag: Limes
ISBN: 978-3-8090-2735-5
Preis: 20,00 €
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Die Launen des Lebens

Emma Straub, Rezension von Kathrin Allkemper

Als die 69jährige Astrid zu ihrem wöchentlichen Friseurtermin fährt, wird sie Zeugin eines tödlichen Unfalls. Zwar konnte sie die Verunglückte überhaupt nicht leiden, aber so ein Ende wünscht man natürlich niemandem. Für die ältere Dame ist es ein Schock, der ihre Einstellung zum Leben nachhaltig verändert. Dinge, die ihr schon lange auf der Seele brennen, müssen nun endlich ans Licht. Ab sofort wird bei ihr nichts mehr auf "irgendwann" verschoben, denn das Leben kann offensichtlich sehr plötzlich enden. Zu ihren eigenen kleinen Sorgen kommt nun noch der Besuch der Enkeltochter, die Probleme in ihrer alten Schule hat und jetzt für eine Weile bei der Großmutter einquartiert wird, um dort zur Schule zu gehen, bis sich die Wogen wieder geglättet haben. Außerdem hat Astrids Sohn geschäftliche Pläne, die für Unmut Sorgen und ihre Tochter eröffnet ihr recht unerwartet, dass sie sich hat künstlich befruchten lassen, um den Zwistigkeiten mit einem potentiellen Partner aus dem Weg zu gehen. Ihre Familie stellt Astrids Leben also ziemlich auf den Kopf, aber auch sie hat eine unerwartete Offenbarung für ihre Lieben.

Eine wunderbar erzählte Familiengeschichte, mal ernst, mal heiter, über drei Generationen.


Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-07053-9
Preis: 20,00 €
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Brunnenstraße

Andrea Sawatzki, Rezension von Annette Kubiak

Andrea ist acht Jahre alt, als der Vater, den sie bis dahin nur von wenigen Besuchen kannte, ihre Mutter heiratet und seine kleine Familie zu sich in die Brunnenstraße holt. Die Mutter, die bis dahin sich und ihre Tochter allein als Krankenschwester durchgebracht hat, träumt von einem besseren Leben an der Seite des renommierten Journalisten Günther Sawatzki. 

Doch schnell wird klar, dass der Vater krank ist und seine kleine Familie nicht versorgen kann. Die Mutter sucht sich eine Stelle als Nachtschwester. Wenn sie arbeitet oder schläft, muss sich die junge Andrea um ihren Vater kümmern, der nach und nach alles vergisst und immer desorientierter wird. 

Die Autorin erzählt von ihrer eigenen, traurigen Kindheit in den 70er Jahren und wie sie in ihrer Jugend zwischen Überforderung, Rebellion und Unerschrockenheit versucht, sich selbst nicht zu verlieren. 

 

 


Verlag: Heyne Verlag
ISBN: 9783453273771
Preis: 22,00 €
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Der Markisenmann

Jan Weiler, Rezension von Tanja Tenberg

 

Dieser Sommer im Jahr 2005 wird für die 15 jährige Kim alles verändern. Sie muss die Ferien bei ihrem noch nie gesehenen Vater in Duisburg verbringen. Wie es wohl sein wird, jemanden zu treffen, der bisher nur ein Phantom in ihrem Leben war? Die Beiden umkreisen einander vorsichtig, lernen sich im Laufe der Ferien aber sehr gut kennen.

Ronald Papen ist im Ruhrgebiet unterwegs, um zwei Modelle Marquisen direkt an der Tür zu verkaufen: Model Mumbai in den Farben orange-braun und Modell Kopenhagen in grün-blau.

Als Kim ihren Vater begleitet, erfährt sie nach und nach immer mehr über seine Vergangenheit und ist ihm eine große Hilfe, mit innovativen neuen Verkaufsideen, um ein paar der Tausende eingelagerten Markisen an die Menschheit im Ruhrpott zu verkaufen.

Sie lernt Alik kennen, den netten Jungen vom Recyclinghof und besucht ihre erste Kneipe “Rosi´s Pilstreff“ mitten im Industriegebiet von Duisburg-Meiderich, direkt am Rhein-Herne-Kanal.

Nach der Lektüre sehen Sie Balkone im neuen Licht und wissen, dass die besten griechische Imbisse im Ruhrgebiet immer Akropolis, die besten Eisdielen Venezia heißen, egal ob in Gelsenkirchen, Mülheim oder Duisburg.

Jan Weiler, den wir als Autor von „Marie, ihm schmeckt´s nicht“ kennen, hat ein furioses Buch über eine Vater-Tochter-Beziehung geschrieben, ein lustiges und manchmal auch trauriges Buch über das Ruhrgebiet.

Unbedingte Leseempfehlung!

 


Verlag: Ullstein Verlag
ISBN: 9783548063096
Preis: 14,99 €
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In all den Jahren

Barbara Leciejewski, Rezension von Daniela Maifrini

Elsa Frank ist eine recht erfolglose, schüchterne Schauspielerin Mitte zwanzig. Sie lebt in einem Mehrfamilienhaus in München, wo sie eines Tages eine Begegnung der dritten Art hat: Bei ihr klingelt es, und im Hausflur steht ein nackter Mann, der sich aus seiner Wohnung ausgesperrt hat und sie bittet, bei ihr telefonieren zu dürfen. Während Elsa „rote Ohren“ kriegt, benimmt sich der unbekleidete Mann als sei es das Normalste von der Welt, telefoniert und geht wieder seiner Wege.
Das war Finn McGregor, und was Elsa noch nicht weiß ist, dass sich ab jetzt ihr Leben gründlich ändern wird...
Doch zunächst einmal passiert gar nichts. Elsa hält sich mit Arbeiten in einem Synchronstudio über Wasser, lernt dort Kollegen kennen und lebt ihr Leben. Eines Abends gibt es dann Zoff im Mietshaus: Die Nachbarin Frau Obermoser, die alte „Granatwachtel“, wie Elsa sie heimlich nennt, stört sich an Finns Saxophonspiel. Elsa hatte die Musik sehr gefallen, nun wird sie durch das bayerische Gekeife der Obermoser jäh aus ihrem Kunstgenuss gerissen und wächst über sich hinaus: Sie weist die Frau zurecht, die im Flur auf den betreten wirkenden Finn einschimpft – der Beginn einer wunderbaren Freundschaft! Finn ist, wie sich herausstellt, Maler und Illustrator. Elsa ist beeindruckt von seinen Bildern, und auch sonst verstehen die Zwei sich super. Sie können sich alles erzählen, albern rum und kommen prächtig miteinander klar – als Freunde. Und während man nun erwartet, dass langsam die Ringe gekauft werden, geht Finn erstmal überraschend für eine lange Zeit nach New York! Elsa will es sich zwar nicht eingestehen, aber er fehlt ihr schon sehr! Doch eines Tages kommt er unangekündigt zurück...
Über zwanzig Jahre begleiten wir die beiden Freunde, die alle Höhen und Tiefen miteinander durchleben und die sich die ganze Zeit sicher sind, dass sie diese tiefe Freundschaft nicht zugunsten einer fragileren Liebesbeziehung aufgeben wollen – auf gar keinen Fall! Wir erleben diese skurrile Beziehung, die oft auf Unverständnis von außen stößt. Wir sind dabei, wie die beiden Protagonisten ihre ersten Erfolge feiern und ihre jeweiligen Karrieren vorantreiben. Wir schauen zu, wie Elsa und Finn sich mit jeweils anderen Partnern einlassen und dennoch versuchen, ihre Freundschaft aufrecht zu erhalten, was nicht immer einfach ist.
Humorvoll ist das Buch und sehr emotional. Und es behandelt durchaus auch schwierigere Themen wie beispielsweise den viel zu frühen Krebstod eines Freundes, einen Angriff von Skinheads auf Finn, der ihn lange traumatisiert, die Alzheimererkrankung der alten Freundin Edda, die in dem Buch eine besondere Rolle spielt, und der auch die letzten Zeilen gehören. Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte mit zwei sympathischen Hauptdarstellern. Dieser Titel von Barbara Leciejewski erinnert mich ein wenig an die Bücher von Petra Hülsmann, die ja leider aufgrund einer Krankheit seit längerer Zeit kein Buch mehr veröffentlicht hat.


Verlag: Hanser Verlag
ISBN: 9783446272897
Preis: 12,00 €
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Die stummen Wächter von Lockwood Manor

Jane Healey, Rezension von Julia Jahns

1939: Hetty, eine Mitarbeiterin des Londoner Natural History Museum, erhält die Aufgabe, die Sammlung der ausgestopften Säugetiere in Sicherheit zu bringen, da der Krieg kurz bevor steht. Sie liebt ihre Arbeit sehr, auch wenn sie dort als Frau immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen hat. Die ehrenvolle Aufgabe, die Sammlung zu schützen und zu begleiten, hat sie auch nur erhalten, weil ihre männlichen Kollegen alle im Krieg gebraucht werden. Lord Lockwood, Besitzer des verfallenen Anwesens Lockwood Manor, hat sich bereit erklärt, die Sammlung während des Krieges zu beherbergen. Hetty fühlt sich in dem Herrenhaus, wo auch sie untergebracht wird, mehr als unwohl. Lord Lockwood ist ein tyrannischer und unbarmherziger Mensch. Nach dem mysteriösen Tod seiner Mutter und seiner Ehefrau, die bei einem Autounfall starben, ist seine Tochter Lucy das Einzige, was ihm noch geblieben ist. Hetty und Lucy freunden sich an. In der Dienerschaft geht das Gerücht um, dass das Haus verflucht sei, auch die ehemalige Hausherrin glaubte daran. Und tatsächlich geschehen bald seltsame Dinge: der Panther verschwindet, einige Tiere werden zerstört, andere nachts verschoben. Hetty erhält keinerlei Unterstützung vom Hausherrn, wohl aber von Lucy. Die beiden versuchen, das Rätsel zu lösen und kommen sich dabei näher ...

Spannender, mystischer historischer Roman über die Rolle der Frau in den 30er Jahren und dunkle Familiengeheimnisse.


Verlag: Atlantik Verlag
ISBN: 9783455015386
Preis: 14,00 €
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Eine verdächtig wahre Geschichte

Antoine Laurain, Rezension von Julia Jahns

Violaine Lepage, Cheflektorin aus Paris, bekommt ein Manuskript zugespielt, das sie sofort unglaublich fesselt. Es handelt von einer Frau, die vier Männer mit einer Schusswaffe aus dem Zweiten Weltkrieg tötet, nachdem sie herausgefunden hat, dass ihre Mutter sie als Baby weggegeben hat, weil sie durch eine Gruppenvergewaltigung schwanger wurde. Es wird versucht, Kontakt zu dem Autoren aufzunehmen, der nur eine Mailadresse hinterlassen hat, das Buch wird veröffentlicht, ohne dass Violaine persönlich mit ihm sprechen konnte, und ein großer Erfolg. Als es auf der Shortlist des Prix Goncourt landet, gibt es Probleme. Violaines Karriere wäre ruiniert, wenn sie die Identität des Schriftstellers nicht aufklären kann. Außerdem meldet sich die Polizei bei ihr. Zwei Männer wurden nach den Beschreibungen des Romans getötet, zwei weitere befindet sich in Lebensgefahr. Die ermittelnde Kommissarin verdächtigt Violaine, da diese die Kontaktdaten des Autoren nicht hat und beschuldigt sie, selbst die Verfasserin und Mörderin zu sein. Bald steht nicht mehr nur Violaines Karriere auf dem Spiel ... Ein schmales, aber ungeheuer fesselndes Buch mit einem überraschenden Ende.